Homosexuelle Paare: Vom Recht auf das eigene Kind

LTO-Redaktion

08.11.2010

Nach dem Willen der Landesjustizminister sollen Lesben und Schwule künftig leichter Kinder adoptieren können. Wie sieht die bisherige Rechtslage aus und welche Rolle spielt die künstliche Befruchtung? LTO sprach mit Rolf Behrentin, Rechtsanwalt und Experte im Adoptionsrecht sowie Manfred Bruns, rechtspolitischer Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland.

LTO: Herr Behrentin, die Justizministerkonferenz hat am Donnerstag beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, auch eingetragenen Lebenspartnerschaften die Adoption eines Kindes zu ermöglichen. Weshalb ist das erforderlich? Wie ist die derzeitige rechtliche Situation?

Behrentin: Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von sozialwissenschaftlichen Studien, die besagen, dass die geschlechtliche Orientierung von Eltern oder auch Adoptiveltern keinen signifikanten Einfluss auf die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung hat. Es gibt daher keinen sachlichen Grund, den eingetragenen Lebenspartnerschaften die gemeinschaftliche Adoption eines Kindes zu versagen.

Auch vor dem Hintergrund der revidierten Fassung des europäischen Adoptionsübereinkommens vom 28.11.2008 gehen immer mehr Staaten dazu über, gleichgeschlechtlichen Paaren die gemeinschaftliche Adoption zu ermöglichen.

Nach deutschem Recht ist es derzeit nur möglich, durch die so genannte Stiefkindadoption dass leibliche Kind des Lebenspartners anzunehmen.

"Ob sich die leiblichen Eltern von postiven Studien überzeugen lassen, ist zweifelhaft"

LTO: Es ist also derzeit für ein homosexuelles Paar nicht möglich, wie ein heterosexuelles Paar ein fremdes Kind zu adoptieren? Und wie sieht es mit einer Adoption im Ausland aus?

Behrentin: Das ist richtig. Lebenspartnerschaften können derzeit in Deutschland nicht wie Ehegatten ein fremdes Kind gemeinschaftlich annehmen. Zwar wäre die gemeinschaftliche Adoption eines Kindes im Ausland für Lebenspartnerschaften in den Ländern denkbar, die eine solche Adoption zulassen. Dafür sind aber oft noch weitere Voraussetzungen notwendig, wie zum Beispiel den gewöhnlichen Aufenthalt der Lebenspartner in dem Land.

Auch wenn ein solches Erfordernis nicht gegeben ist, scheitern die Auslandsadoptionen durch homosexuelle Paare meist am mangelnden Kindervorschlag aus dem jeweiligen Land. Dies dürfte meiner Ansicht nach auch ein Problem in Deutschland darstellen, wenn es denn zu der rechtlichen Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Adoption durch Lebenspartner in Deutschland kommen wird.

Da es wegen § 1747 Abs 2 BGB keine Blanko-Einwilligung der leiblichen Eltern in eine Adoption gibt, muss auch die Homosexualität der Annehmenden den leiblichen Eltern bekannt gemacht werden. Ob diese sich dann von den positiven sozialwissenschaftlichen Studien überzeugen lassen, wage ich zu bezweifeln.

LTO: Denkbar wäre weiter die aus den Vereinigten Staaten bekannte Leihmutterschaft. Ist diese in der Bundesrepublik rechtlich möglich?

Behrentin: Nein. Die Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten. Deshalb verstößt auch eine im Ausland in Anspruch genommene Leihmutterschaft gegen den deutschen ordre-public. Die durch die Leihmutterschaft gewonnene Elternschaft wird also in Deutschland nicht anerkannt.

"Bei künstlicher Befruchtung muss die andere Frau das Kind als Stiefkind adoptieren"

LTO: Herr Bruns, wenn ein gleichgeschlechtliches Paar miteinander kein Kind zeugen und jedenfalls kein fremdes Kind adoptieren kann: Wie verhält es sich mit künstlicher Befruchtung?

Bruns: Immer mehr Lebenspartnerinnen wählen den Weg der Insemination, also die künstliche Befruchtung mittels eines Samenspenders. Das ist auch ohne ärtzlichen Beistand möglich; man spricht auch von der so genannten Bechermethode.

Rechtlich verhält es sich so, dass dann die eine Frau die leibliche Mutter ist. Die andere Frau, die Co-Mutter kann das Kind als Stiefkind adoptieren. Dadurch werden beide Lebenspartnerinnen rechtlich gemeinschaftliche Eltern des Kindes.

LTO: Wie sieht es aus bei dem alternativen Fall der so genannten assistierten Reproduktion?

Bruns: Bei der assistierten Reproduktion nehmen die Frauen die Hilfe eines Arztes in Anspruch. Das ist aus medizinischen Gründen einmal erforderlich, wenn sich die Frauen Samen von einer Samenbank kommen lassen. Dieser muss fachgerecht transportiert und bis zum Zeitpunkt des Eisprungs gelagert werden.

Zum anderen muss der Arzt in Anspruch genommen werden, wenn bei den Frauen eine Fertilitätsstörung vorliegt und sie deshalb eine in-vitro-Fertilisation durchführen lassen.

"Ärzte bauschen das vermeintliche Problem der Unterhaltsansprüche auf"

LTO: Stimmt es, dass einige Ärztekammern den Ärzten davon abraten, solche künstlichen Befruchtungen durchzuführen?

Bruns: Das ist teilweise in der Tat der Fall. Wobei diese Verbote nicht ethisch begründet werden, sondern eher paternalistisch: Es sei ungeklärt, ob der Arzt im Zuge der Behandlung nicht Unterhaltsansprüchen ausgesetzt sei.

LTO: Ist Ihnen denn ein solcher Fall bekannt, in dem es tatsächlich dazu gekommen wäre, dass eine lesbische Mutter Unterhaltsforderungen an den bei der künstlichen Befruchtung behandelnden Arzt stellte?

Bruns: Nein, nach meinen Recherchen gab es einen solchen Fall noch nicht. Meines Erachtens werden diese Bedenken von den entsprechenden Ärztekammern aufgebauscht.

LTO: Nimmt eine lesbische Frau selbst eine künstliche Befruchtung vor, gibt es aber ansonsten keine rechtlichen Schwierigkeiten?

Bruns: Die künstliche Befruchtung ist laut Embryonenschutzgesetz nicht verboten, weder für die Frau noch für den Samenspender. Ein Verbot würde auch keinen Sinn ergeben, denn die Frauen könnten ja einfach behaupten, sie hätten Geschlechtsverkehr gehabt.

"Probleme tauchen auf, wenn die Mutter den Namen des Mannes kennt, ihn aber nicht nennen will"

LTO: Herr Behrentin, wenn ein Partner ein Kind auf die Welt bringt oder gebracht hat, sei es nun das von einem andersgeschlechtlichen ehemaligen Partner oder aber ein durch Geschlechtsverkehr oder die „Bechermethode“ gezeugtes: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der gleichgeschlechtliche Partner das Kind adoptieren kann?

Behrentin: Rechtliches Problem ist hier die Zustimmung des leiblichen Vaters des Kindes zur Adoption durch die Lebenspartnerin. Grundsätzlich ist nämlich die Zustimmung des Vaters erforderlich, es sei denn er ist z.B. unbekannten Aufenthaltes oder selbst nicht bekannt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, prüft der Familienrichter.

Problematisch ist es, wenn die Mutter den Namen des Mannes zwar kennt, aber ihn nicht nennen will. Entscheidungen hierzu hat es zwar schon gegeben, die in diesen Fällen noch eine Adoption ausgesprochen haben, doch halte ich dies vor dem Hintergrund des vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Rechtes des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft für bedenklich.

"Europäisches Recht lässt deutschem Gesetzgeber großen Spielraum"

LTO: Erst nach den entsprechenden europäischen Vorgaben haben die deutschen Gerichte insbesondere im Bereich des Beamtenrechts die Gleichstellung homosexueller mit heterosexuellen Paaren anerkannt. Gehen Sie von einer ähnlichen Entwicklung im Bereich des Adoptionsrechts aus?

Behrentin: Ich gehe davon aus, dass es hierzu keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes mehr geben wird, da der Gesetzgeber dem zuvorkommt.

Allerdings lässt das europäische Recht, zumindest was die gemeinschaftlichen Adoption eines Kindes durch eingetragene Lebenspartnerschaften betrifft, dem deutschen Gesetzgeber auch noch mehr Spielraum. So wird zum Beispiel nach Artikel 7 der revidierten Fassung des europäischen Adoptionsübereinkommens vom 28.11.2008 den Staaten ausdrücklich freigestellt, ob sie eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Partner zulassen wollen oder nicht. Eine gesetzliche Änderung wird aber an der misslichen Situation der homosexuellen Paare nichts ändern.

Im Ausland, wo es jetzt schon möglich ist, bekommen homosexuelle Paare kaum einen Kindervorschlag und in Deutschland wird es nicht anders sein. In Deutschland kommen zur Zeit rund dreizehn Bewerberpaare auf ein Kind, das zur Adoption freigegeben wird. Dass ein Jugendamt einem gleichgeschlechtlichen Paar überhaupt einen Kindervorschlag macht, wenn ihm daneben noch dreizehn geeignete "Heteropaare" zur Verfügung stehen, halte ich für unwahrscheinlich.

Eine Verfassungsbeschwerde mag zur Zeit Aussicht auf Erfolg haben, was die rechtliche Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften in Bezug auf die rechtlichen Voraussetzungen der Adoption betrifft, einen Rechtsanspruch auf Vermittlung eines Kindes hat in Deutschland aber niemand.

LTO: Herr Behrentin, Herr Bruns, wir danken Ihnen für dieses Interview.

Der Autor Rolf Behrentin ist Rechtsanwalt in Köln und Spezialist im Adoptionsrecht. Manfred Bruns ist Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a.D. und Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD).

Das Interview führten Pia Lorenz und Steffen Heidt.

Zitiervorschlag

LTO-Redaktion, Homosexuelle Paare: Vom Recht auf das eigene Kind . In: Legal Tribune Online, 08.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1883/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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