Koranverbrennung: Auch in Deutschland möglich?

Harald Lemke-Küch

10.09.2010

Die angekündigte Verbrennung von Koranbüchern durch Fundamentalisten in Florida löst weltweite Empörung aus. Neben aller Entrüstung aber drängt sich die Frage auf, ob ein solches Verhalten nicht auch strafrechtliche Konsequenzen hätte. Harald Lemke-Küch hat sich die Rechtslage in Deutschland angesehen – mit erstaunlichen Ergebnissen.

Weder weltweite Proteste noch ein Appell von Barack Obama scheinen Fundamentalistenprediger Terry Jones aus Florida zu beeindrucken: Am Samstag, symbolträchtig zum neunten Jahrestag des 11. September, sollen auf dem Grundstück seiner Kirchengemeinde in Gainesville/Florida medienwirksam Exemplare des Korans verbrannt werden.

Und während das Thema plangemäß weltweit durch die Medien geht und gewalttätige Exzesse befürchtet werden, liegt vor allem in Deutschland eine Frage durchaus nahe: Fände ein vergleichbarer Vorgang hierzulande Nachahmer – wäre das nicht ein Fall für den Staatsanwalt?

Das Strafgesetzbuch (StGB) widmet einen Teil solchen "Straftaten, welche sich auf Religion und Weltanschauung" beziehen. Es hat allerdings den Anschein, als ob der Gesetzgeber dabei nicht an die Verbrennung religiöser Symbole oder Schriften gedacht hat.

Die bloße Verletzung religiöser Gefühle reicht nicht aus

Das deutsche Strafrecht stellt vor allem "Störungen" unter Strafe - von Bestattungsfeiern, der Religionsausübung oder der Totenruhe. Verbrennungen von Gebetsbüchern fallen darunter zweifelsfrei nicht.

Auch in § 166 StGB wird man nicht fündig. Die Vorschrift bedroht Beschimpfungen, also besonders gravierende herabsetzende Äußerungen, die Bekenntnisse, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen betreffen, mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren.

Zwar bestand schon häufiger Anlass, ungewöhnliche Auseinandersetzungen mit religiösen Themen an dieser Norm zu messen. So erfüllt die "künstlerische" Darstellung eines Kruzifixes als Mausefalle den Tatbestand ebenso wie die Darstellung des Turbans des Propheten Mohammed als Bombe in den berühmt gewordenen "Mohammed-Karikaturen". Auch derjenige, der die christlichen Kirchen als "Verbrecherorganisationen" bezeichnet, beschimpft im Sinne der Norm und kann durchaus mit Freiheitsstrafe bestraft werden.

Wer aber "stumm", also ohne irgendeine aggressive Tendenz der Äußerung, ein Gebetsbuch verbrennt, "beschimpft" nicht in strafrechtlich bedeutsamer Weise. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn das Verbrennen medienwirksam und erkennbar als Verspotten oder Lächerlichmachen erscheint. Nur dann, wenn die Akteure zusätzlich verbal ein abfälliges Werturteil etwa im Sinne eines Slogans des Predigers wie " der Islam kommt vom Teufel" äußerten, käme dies einem Beschimpfen nach § 166 StGB gleich, wäre also strafbar.

Die Verletzung religiöser Gefühle allein aber ist nicht als "Religionstraftat" zu bezeichnen.

Gebetsbuchzündler ist kein Volksverhetzer

Der Volksverhetzungsparagraf des § 130 Abs. 1 StGB schützt den öffentlichen Frieden und verbietet u.a. zur Friedensstörung geeignete Äußerungen, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstacheln oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern. Bestraft wird auch derjenige, der Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet und dadurch die Menschenwürde angreift.

Hass verlangt eine über bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige emotional aufgeladene Haltung. Zum Hass stachelt auf, wer den Adressaten dazu auffordert, sich dieser Haltung anzuschließen (vgl. Bundesverfassungsgericht, NJW 2003, 660,662). Antisemitische Äußerungen wie zum Beispiel die Behauptung, der Holocaust habe nicht stattgefunden, sondern sei eine Erfindung der Juden, gehören ebenso dazu wie ausländerfeindliche Hetze, also "Ausländer raus" oder ähnliches.

Wird ein Koranexeplar öffentlich verbrannt, dokumentiert der Täter damit zwar offenkundig seine feindselige Haltung gegenüber dem Islam. Verbleibt es jedoch bei dieser "stummen" Form der Missachtung, stachelt er nicht auf. Ebenso wenig "beschimpft" er dadurch einen Islamgläubigen oder fordert zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen im Sinne eines über das "bloße" Befürworten hinausgehenden Appellcharakters auf.

Auch Volksverhetzer wird der "Gebetsbuchzündler" daher nicht zu bezeichnen sein.

"Den Islam" kann man nicht beleidigen

Naheliegend erscheint, wenn man weiter nach einem möglicherweise verwirklichten Straftatbestand sucht, dass mit einem gravierend herabsetzenden Verhalten wie der Koranverbrennung auch eine strafbare Beleidigung verbunden sein müsste.§ 185 StGB sieht für eine Beleidigung ein Strafmaß von bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe vor.

Aber auch hier steckt der Teufel im Detail. Eine Beleidigung ist ein Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch Kundgabe der Missachtung. Von dieser Definition wird das Zeigen des "Stinkefingers" ebenso erfasst wie ein verbaler Angriff wie die Bezeichnung eines Körperbehinderten als "Krüppel".

Missachtet aber derjenige im Sinne des Beleidigungstatbestandes eine andere Person, der die für diese Person heilige Schrift verbrennt? Generell wird dies nicht ohne weiteres zu bejahen sein. Der Beleidigungstatbestand könnte nur dann erfüllt sein, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt wären. So müsste der Täter wissentlich das individuelle Bekenntnis eines einzelnen Gläubigen und damit dessen persönliche Ehre mit der Koranverbrennung erheblich beeinträchtigen. Darüber hinaus müsste der Täter dieses Ziel bewusst im Sinne einer Ehrkränkung des einzelnen Betroffenen verfolgen.

Weitere Voraussetzung für eine Strafverfolgung wäre dann im Übrigen, dass der Beleidigte innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Kenntniserlangung von der Tat und der Person des Täters einen Strafantrag gegen den Täter stellte.

Der in einer Koranverbrennung wohl eher zu sehende Angriff auf die Gesamtheit der Muslime wäre im Zweifel nicht strafbar, da diese eine Kollektivbeleidigung darstellen würde. Inwieweit Gemeinschaften als solche überhaupt beleidigungsfähig sind, ist höchst umstritten. Strafgerichte jedenfalls haben eindeutig entschieden, das zum Beispiel "die Christen" oder "alle Katholiken" nicht beleidigungsfähig, da nicht hinreichend konkretisiert sind.

Schädlich sicher – aber eine gemeinschädliche Sachbeschädigung?

So mancher Leser, der sich schon bis hierher in seinem Rechtsempfinden gestört fühlen mag, wird möglicherweise noch zusätzlich dadurch irritiert, dass die Koranverbrennung ausgerechnet unter dem Gesichtspunkt einer Sachbeschädigung strafrechtlich zu beurteilen sein könnte.

Strafbar nach § 303 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren ist es sicherlich, absichtlich den einem Gläubigen gehörenden Koran zu verbrennen, wenn dieser eine fremde (also nicht im eigenen Eigentum stehende) Sache darstellt und durch das Feuer beschädigt oder zerstört wird.

Anders als zum Beispiel bei den Tatbeständen der Beleidigung, welche sich wie erläutert gegen einzelne und bestimmte Personen richten muss, hat der Gesetzgeber bei der Sachbeschädigung aber auch diejenige zum Nachteil der Allgemeinheit geregelt. § 304 StGB stellt die gemeinschädliche Sachbeschädigung mit einer Strafandrohung von bis zu drei Jahren unter Strafe. Demnach handelt derjenige strafbar, der rechtswidrig Gegenstände der Verehrung einer im Staat bestehenden Religionsgesellschaft oder Sachen, die dem Gottesdienst gewidmet sind, beschädigt oder zerstört. Auf das Eigentum kommt es dabei nicht an, so dass auch derjenige die Tat begehen kann, dem der Gegenstand - also das Koranexemplar - gehört.

Voraussetzung für die Annahme, dass die hier in Frage stehende Koranverbrennung unter diesen Tatbestand fallen könnte, wäre aber auch hier eine sehr weitgehende Auslegung, in diesem Fall des Tatobjekts. Ob ein Gebetsbuch beispielsweise einem Kruzifix, einem Heiligenbild oder einer Reliquie gleichzustellen ist, die in einer katholischen Kirche aufgestellt ist, erscheint sehr zweifelhaft.

Das Ergebnis mag überraschen, vielleicht in Anbetracht gerade der deutschen Assoziationen mit Bücherverbrennungen gar irritieren. Eine Koranverbrennung wäre wie in den USA auch in Deutschland sicherlich ein empörender, sicherlich auch gravierend herabsetzender Akt, von dem sich Muslime zu Recht angegriffen fühlen dürften. Ein Fall für den Staatsanwalt aber wäre sie wohl nicht.

Der Autor Harald Lemke-Küch ist Fachanwalt für Strafrecht in Hannover. Er ist Autor zahlreicher strafrechtlicher Veröffentlichungen.

Zitiervorschlag

Harald Lemke-Küch, Koranverbrennung: Auch in Deutschland möglich? . In: Legal Tribune Online, 10.09.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1427/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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