Verkehrssünderbilanz 2008 und 2009: Von der Verkehrsüberwachung und ihren (Rechts-)Folgen

In welchen Bundesländern sind die meisten Verkehrssünden begangen und festgestellt worden? Dies ist in erster Linie eine Frage der Verkehrssicherheit, weil die Zahl der Delikte auf das Verkehrsverhalten der Bürger schließen lässt. Andererseits ist es ebenso brisant zu fragen, unter welchen Bedingungen die Verstöße entdeckt und verfolgt werden. Von Prof. Dr. Dieter Müller.

Möchten Sie wissen, in welchem Bundesland die meisten Verkehrssünder auf den Straßen unterwegs sind? Dann informieren Sie sich in einer Ende Juli unter der thematischen Überschrift "Daten zur Verkehrssicherheit in Deutschland und in den einzelnen Bundesländern" publizierten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage einiger Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Rangliste der Verkehrssünder nach Bundesländern

Danach lautet die Rangliste der Verkehrssünder in den Bundesländern 2009 prozentual gesehen folgendermaßen:

  • Platz 1: Brandenburg, mit 100 Verkehrssündern pro 1.000 Einwohner des Bundeslandes,
  • Platz 2: Bremen, mit 80 Verkehrssündern pro 1.000 Einwohner des Bundeslandes,
  • Platz 3: Thüringen, mit 75 Verkehrssündern pro 1.000 Einwohner des Bundeslandes.

Zum Vergleich: In Sachsen-Anhalt wurden im vergangenen Jahr lediglich 27 Verkehrssünder pro 1.000 Einwohner des Bundeslandes festgestellt.
Im vorvergangenen Jahr 2008 gestaltete sich diese Bilanz nur unwesentlich anders, indem statt Thüringen die Kraftfahrer aus Mecklenburg-Vorpommern den dritten Platz einnahmen.

Sämtliche Zahlen aus beiden Jahren basieren auf den Daten, die dem Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt von den Bußgeldbehörden und Gerichten gemeldet wurden.

Es kommt auf den Blickwinkel an

Wer aber nun glaubt, dass in Brandenburg und den anderen "Spitzenreitern" dieser Bilanz die schlechtesten Autofahrer unterwegs sind, sieht sich bei einigem Nachdenken über die Aussagekraft dieser Statistik getäuscht. Denn eines ist klar: Es können nur diejenigen Täter und Delikte an die Flensburger Verkehrssünderkartei gemeldet werden, die auch zuvor polizeilich und durch die Kommunen entdeckt und ermittelt worden sind.

Aus diesem Blickwinkel sieht die Bilanz aus 2008 und 2009 dann doch gleich anders aus. Sie ist nämlich auch als ein Beispiel der Effizienz der polizeilichen und kommunalen Verkehrsüberwachung zu sehen. Da die Personaldichte der Länderpolizeien bundesweit in die Richtung 1 Polizeibeamter je 400 Einwohner des jeweiligen Bundeslandes tendiert, nehmen die Polizeibeamten der genannten vier Bundesländer in der Effektivität ihrer Kontrollarbeit Spitzenpositionen ein. Ihre praktische Arbeit dient in erster Linie einer Steigerung der Verkehrssicherheit, weil regelmäßig nur diejenigen Täter mit Punkten in Flensburg eingetragen werden, auf deren begangene Delikte mindestens ein Bußgeld in Höhe von 40 Euro fällig wurde.

Wichtigste Verkehrsdelikte

In der Hitliste der wichtigsten, weil am häufigsten in Flensburg eingetragenen Verkehrsdelikte stehen die Geschwindigkeitsverstöße weiterhin unangefochten oben an. Im Jahr 2009 wurden aus diesem Grund 5,7 Millionen Punkte eingetragen und im Jahr davor 5,5 Millionen. An zweiter Stelle rangieren Vorfahrtsverstöße mit 1,3 Millionen vergebenen Punkten  (Vorjahr: 1, 4 Millionen), während Alkohol- und Drogendelikte mit 1,1 Millionen Punkten in beiden Jahren gleichbleibend zur Punktelawine beitrugen.

Offene Fragen für die Zukunft

Somit sind es gerade die Schlusslichter dieser Bilanz, wo neben Sachsen-Anhalt die Bundesländer Berlin (36), das Saarland (38) und der Freistaat Sachsen (40) rangieren, deren Länderpolizeien und Kommunen sich die Frage gefallen lassen müssen, warum ihre Verkehrsüberwachung prozentual so vergleichsweise inneffizient und schlecht funktioniert. In diesen Ländern bestehen daher Defizite in der Verkehrsüberwachung und damit auch in der Verkehrssicherheit und die politische Führung muss sich die Frage gefallen lassen, wie sie diese Defizite in der Zukunft auszugleichen gedenkt.

Und dabei ist es offensichtlich, dass die allermeisten begangenen Delikte nicht einmal entdeckt werden, weil aufgrund der bundesweit praktizierten rigiden Personaleinsparungen in der Polizei die Verkehrsüberwachung vielerorts gar nicht mehr stattfindet.

Der Autor Prof. Dr. Dieter Müller ist Fachbereichsleiter für Verkehrswissenschaften an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH), wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten Bautzen und Autor zahlreicher Publikationen zum Verkehrsrecht.

Zitiervorschlag

Dieter Müller, Verkehrssünderbilanz 2008 und 2009: Von der Verkehrsüberwachung und ihren (Rechts-)Folgen . In: Legal Tribune Online, 18.08.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1226/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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